Reflexionen über den Kurban

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Frage: Welche Vorkehrungen können wir treffen, damit wir ein tiefes Bewusstsein für die Darbringung eines Opfertieres als Gottesdienst zu entwickeln?

Antwort: Wie bei allen rituellen Handlungen gibt es auch für diesen Gottesdienst bestimmte Voraussetzungen. Damit dieser aus religiöser Sicht gültig ist, müssen diese Voraussetzungen erfüllt werden. Da diese Bedingungen jedoch bereits ausführlich in den klassischen Jurisprudenz-Werken (Fiqh) behandelt wurden und unsere Lehrenden sie den Menschen wiederholt erklärt haben, halte ich es nicht für nötig, hier erneut auf sie einzugehen.

Neben den vielfach wiederholten äußeren Voraussetzungen des Schlachtens gibt es, ähnlich wie beim Gebet das Andacht (Husūʿ) und Reinheit (Ḥudûʾ), auch Aspekte, die unsere Hingabe (Kulluk) und die Reinheit unserer Absicht (Ihlas) sowie unsere Verbindung zu Gott betreffen. Diese bilden den Kern aller gottesdienstlichen Handlungen.

Das Wort Kurban leitet sich vom arabischen Wort “qurb” ab, das “Nähe” bedeutet. Dies weist darauf hin, dass der Hauptzweck des Schlachtens darin besteht, sich dem Wesen des Göttlichen Einen (Zât-ı Ulûhiyyet) zu nähern. Wie bei allen Gottesdiensten ist der Hauptgrund für das Schlachten der göttliche Befehl und sein letztendliches Ziel ist das Wohlgefallen Gottes.

Wir verrichten den Gottesdienst des Kurbans nicht aus einem anderen Grund, sondern nur, weil Gott es befohlen hat, um Ihm näher zu kommen und Sein Wohlgefallen zu erlangen.

Gottesdienst, der mit dem Prophet Adam (F.s.m.i) begann

Das Schlachten ist ein wichtiges Mittel, um sich Gott zu nähern, und es begann bereits mit dem Ehrwürdigen Prophet Adam (F.s.m.i.). Obwohl es sich im Laufe der Zeit in Form und Ausführung geändert hat, ist sein Wesen bis heute unverändert geblieben. Betrachtet man die Geschichte im Zusammenhang mit dem Prophet Abraham (F.s.m.i), so kann man sagen, dass die heutige Form des Schlachtens in seiner Zeit begann. Gott, der Ehrwürdige Eine, befahl Abraham (F.s.m.i) in einem Traum, zuerst seinen Sohn Ismael zu opfern. Als er jedoch seine Loyalität gegenüber Gott erfüllte, wurde ihm dieses Mal befohlen, ein Tier zu schlachten, als Gegenleistung für ein sehr wertvolles Wesen wie einen Menschen, was eine weitere Manifestation der Weite der Barmherzigkeit des Herrn, des Erhabenen, ist.

Gott verspricht als Belohnung für Gottesdienste, die der Mensch ohne große Mühe verrichten kann, wie das Hauptgebet, das Fasten, die leuternde Pflichtgabe, die Pilgerfahrt und das Schlachten, ein ewiges Paradiesleben, dem tausende Jahre glückseligen Lebens auf der Welt nicht eine einzige Stunde gleichkommen. Das Paradies, von dem wir unter normalen Umständen nicht einmal ein kleines Stück erhalten könnten, selbst wenn wir die ganze Welt gäben, gewährt Er uns als Gegenleistung für unsere einfachen und vergänglichen Taten in dieser Welt.

Urteil über die Darbringung eines Opfertieres

Die Rechtsgelehrten haben, indem sie die Verse und Hadithe bewerteten, die das Schlachten befehlen, in dieser Angelegenheit unterschiedliche Urteile gefällt. Die Hanefiten, ausgehend von den relevanten Hadithen und den Praktiken unseres Propheten (F.s.m.i), sowie insbesondere vom Befehl وَانْحَرْ „bringe (Ihm aus Dankbarkeit) Opfer dar” (Sūre Al-Kauthar, 108/2), betrachten es als obligatorisch (wādschib). Der Grund, warum sie es als obligatorisch anstatt als Pflicht (fard) bezeichnen, ist, dass die Bedeutung des Wortlauts für das Urteil als spekulativ (ẓannī) angesehen wird. Denn obwohl der Ausdruck „bringe Opfer dar” eindeutig das Schlachten eines Tieres befiehlt, ist seine Bedeutung in Bezug auf das Opfer, das am Kurban-Fest geschlachtet wird, nicht definitiv (qaṭʿī), sondern spekulativ (ẓannī).

In der hanafitischen Terminologie ist obligatorisch (wādschib) praktisch wie Pflicht (farḍ); es muss unbedingt verrichtet werden, es sei denn, es gibt ein Hindernis. Der Unterschied zwischen derer zeigt sich darin, ob ihre Leugnung Unglaube nach sich zieht oder nicht. Die Leugnung eines Urteils, das Pflicht ist, führt zur Unglaube. Die Leugnung einer obligatorischen Angelegenheit (wādschib) führt jedoch nicht zur Unglaube, sondern zu Irreleitung. Möge Gott uns vor beidem bewahren. In Bezug auf die Durchführung ist obligatorisch (wādschib) wie Pflicht (farḍ).

Die Feinheit im Gehorsam gegenüber dem Gebot

Unter diesem Gesichtspunkt muss jeder Muslim, der die notwendigen Voraussetzungen erfüllt, diesen Befehl ausführen.

Obwohl Taten wie das Spenden oder das Helfen der Armen bei Gott sehr wertvoll sind, ersetzen sie nicht das Schlachten. Einige Personen, die in den Medien auftreten, können sich in diesen Angelegenheiten Fantasien hingeben und versuchen, sich bei bestimmten Kreisen beliebt zu machen. Mit ihrer dreisten Intelligenz können sie im Namen der Religion Urteile fällen, indem sie sich selbst lächerlich machen.

Dabei werden die Form und das Format der Gottesdienste von Gott bestimmt. Wo es um die Gebote und Verbote Gottes und Seines Gesandten (Friede sei mit ihm) geht, hat niemand die Befugnis, mit seinem eigenen Verstand ein entgegenstehendes Urteil zu fällen. Genau genommen nennt man dies nicht Urteilsfindung, sondern (eigenmächtiges) Urteilen.

Das Schlachten wurde von Gott befohlen und hat durch die mündlichen Aussagen (Hadithe) und praktischen Anwendungen (Sunna) unseres Propheten Klarheit erlangt. Es wurden zahlreiche Hadithe überliefert, die detailliert beschreiben, welche Tiere unser Prophet geschlachtet, wie er es vollzogen, und was er mit dem Fleisch der geschlachteten Tiere getan hat.

Die nachfolgenden angesehenen Gelehrten (ulema-yı benâm) haben ebenfalls ausgehend von den Erklärungen Gottes und Seines Gesandten die Details der Angelegenheit dargelegt. Somit haben die Urteile in all ihren Dimensionen Klarheit erlangt. Personen, die sich in einer solchen Angelegenheit so verhalten, als ob sie erneut Urteile festlegen wollten, offenbaren damit ihre eigene Unwissenheit.

Der Islam misst dem Verstand große Bedeutung bei. Leider können einige Menschen die Rolle des Verstandes in der Religion nicht richtig verstehen und bürden ihm Lasten auf, die er nicht tragen kann. Sie versuchen, mit ihrem Verstand die Religion festzulegen. Dabei ist der Eigentümer der Religion bekannt.

Was der Gesetzgeber – der Gesandte Gottes (F.s.m.i) gesagt hat, das ist die Religion. Die Rolle des Verstandes in der Religion besteht darin, die Grundlage für die Verantwortlichkeit zu bilden. Der Verstand versucht, das zu verstehen und umzusetzen, wofür er verantwortlich gemacht wurde. Auch die Aktivität, die wir Idschtihad (Rechtsfindung) nennen, ist nicht das Festlegen der Religion, sondern vielmehr das Bemühen, die Worte Gottes und Seines Gesandten zu verstehen und zu interpretieren und die darin enthaltenen Urteile aufzudecken.

Die Verantwortung der Bevollmächtigten

Heutzutage wird, manchmal weil die Umstände es nicht zulassen, manchmal auch mit der Absicht, Bedürftigen in verschiedenen Teilen der Welt zu helfen, die Vollmacht für die Schlachtung an einige Stiftungen und Vereine gegeben. In diesem Fall müssen die Personen, die die Vollmacht übernehmen, ihre Aufgaben auf die bestmögliche Weise erfüllen.

Von Zeit zu Zeit hören wir Meinungen, dass das Geld an nützlicheren Orten verwendet werden könnte. Doch Geld, das für diesen Zweck gegeben wurde, kann nicht an anderer Stelle verwendet werden. Das Schlachten ist eine Sache, freiwillige Spende und  Pflichtgaben (Zekat) sind andere. Diese können einander nicht ersetzen. Daher müssen, wenn einer Organisation Geld gegeben wurde, das für eine bestimmte Anzahl von Tieren ausreicht, genau diese Anzahl an Tieren gekauft und geschlachtet werden.

Wie bekannt, wird in den Büchern betont, dass das zu schlachtendes Tier gesund und kräftig sein muss. Es wird darauf hingewiesen, dass blinde, lahme, kranke, sehr alte und sehr kleine Tiere nicht als Opfer dienen können. Es wird empfohlen, die kräftigsten und besten Tiere auszuwählen. Einige dieser Bestimmungen basieren auf Hadithen.

Darüber hinaus leitet uns auch folgender Vers in dieser Angelegenheit an: “Niemals werdet ihr Güte und Tugend erlangen, ehe ihr nicht von dem hingebt, was euch lieb ist” (Sūre Āl – ‘Imrān, 3/92)

In diesem Zusammenhang gibt es auch einen weiteren Vers: O ihr, die ihr glaubt! Gebt von den guten, bekömmlichen Dingen, die ihr erworben habt, und von dem, was Wir für euch aus der Erde hervorgebracht haben, und sucht nicht das Schlechte davon aus, um zu spenden, wo ihr es doch selbst nicht nehmen würdet, es sei denn ihr würdet ein Auge dabei zudrücken. Und wisst, dass Gott reich ist und Sich Selbst genügend, des Lobes würdig.“ (Sūre Al-Baqara 2/267)

Wie ersichtlich, befehlen uns die edlen Verse, Gaben von den Gütern zu machen, die uns lieb sind, auf die wir ein Auge geworfen haben und die wir unbedingt behalten möchten; nicht von den Dingen, die wir loswerden wollen.

Dies drückt die Bedeutung aus, dass wir Dinge, an die unser Herz gebunden ist, aus unseren Händen geben und sie anderen geben, wodurch wir sie auch aus unserem Herzen entfernen.

Diese Bestimmung kann auf viele Angelegenheiten übertragen werden. Zum Beispiel sollte ein Gläubiger, wenn er ein Festmahl gibt, dieses Urteil des Verses beachten.

Wenn er jemanden erfreuen will, sollte er ihn mit dem Besten dessen erfreuen, was er besitzt. Da Gott euch das Beste gegeben hat, solltet auch ihr, entsprechend der göttlichen Moral, andere mit guten und schönen Dingen erfreuen.

Ebenso sollte ein Gläubiger auch bei der Auswahl des Tieres, das er opfern will, entsprechend vorgehen. Er sollte das Beste und Schönste von dem, was er besitzt, als Opfer Gott darbringen.

Das ist natürlich nicht leicht. Denn wie der Vers وَإِنَّهُ لَحُبُّ الْخَيْرِ لَشَدِيدٌ Und er ist gewiss von heftiger Liebe zum Reichtum besessen (Sure Al-‘Ādiyāt, 100:8) besagt, besitzt der Mensch von Natur aus eine starke Liebe zum Besitz. Wie ein türkisches Sprichwort besagt: Besitz ist ein Span vom Leben. Wenn der Besitz schwindet, ist es, als wäre etwas mit einem Beitel vom Menschen abgehobelt worden. Der Gebende fühlt sich, als wäre ein Stück von seiner Seele abgerissen worden. Gerade trotz dieser Schwierigkeit ist es von großer Bedeutung, dass der Mensch seinem Willen gerecht wird und spendet, und dabei vom guten Teil seines Besitzes gibt, was bei Gott sehr wichtig ist. Wie im Hadith erwähnt, ist das Paradies von Dingen umgeben, die dem Ego nicht gefallen. Der Mensch wird das Paradies erreichen, indem er diese überwindet.

Gottesdienstliches Anliegen (Taabbūdī) bei den Taten

Es ist – wie bei jeder Handlung – außerordentlich wichtig, dass diese Handlung (die Schlachtung) mit Glauben und Reinheit verrichtet wird und man sich dabei an der göttlichen Zufriedenheit orientiert. Denn in einem Vers heißt es, dass nicht das Fleisch und Blut der geschlachteten Tiere zu Gott gelangt, sondern unser Gottesbewusstsein (Taqwā). Gottesbewusstsein bedeutet neben den rituellen Handlungen und der Dienerschaft (ubudiyet) auch die hingebungsvolle Ausrichtung auf Gott und das Suchen Seines Schutzes.

Aus der Sicht eines Gläubigen kann es kein höheres Ziel geben, als den Geboten Gottes zu gehorchen und Sein Wohlgefallen zu erlangen. Deshalb sollte jemand diese Handlung mit folgender Absicht verrichten: „O mein Herr, ich schlachte dieses Tier nur, um Deinem Gebot nachzukommen. Ich beabsichtige weder, jemanden zu beeindrucken, noch irgendwelche weltlichen Vorteile zu erlangen. Es genügt mir, wenn Du mit mir zufrieden bist!“ 

Man hofft, dass derjenige, der mit dieser ehrlichen Absicht handelt, Gottes Wohlgefallen erwirkt und zum Paradies geführt wird.

Wie bei allen Geboten Gottes hat auch das Schlachten eines Tieres selbstverständlich seine Vorteile und Weisheiten. Einen Teil davon können wir verstehen, einen anderen nicht. Beispielsweise kann man durch das Schlachten Bedürftigen helfen und sich ihr Wohlwollen sichern. Dennoch darf man nicht annehmen, dass die Weisheiten dessen nur in solchen sicht- und erfassbaren Dingen bestehen. Es geht nicht allein darum, den Menschen Wohltaten zu erweisen und Gutes zu tun.

Das Opfer hat darüber hinaus auch verschiedene Aspekte, die auf die menschliche Psyche und die Läuterung des Nefs abzielen. Darüber hinaus kann dieses mit der Pilgersaison verbundene Gottesdienstritual eine besondere Bedeutung bei den geistigen Wesen und Engeln haben. Wer weiß, vielleicht betrachten die Geistwesen die Darbringung dieses Opfers wie ein Fest und begrüßen es mit Beifall. Außerdem wissen wir nicht, welche Bedeutung es in der Gegenwart der Gottheit hat und wie es unser Jenseits formen wird. Wir sind unwissend darüber, wie es beim „Thron der Barmherzigkeit“ (arş-ı rahmet) empfangen wird. Nicht alles ist uns vorbehalten! Folglich wäre es egoistisch, den Sinn und Nutzen von Gottesdiensten nur auf die Bedeutungen zu beschränken, die unser Verstand zu erfassen vermag.

Aus dieser Perspektive sollte ein aufrichtiger Gläubiger alle gottesdienstlichen Handlungen, ohne sich an weltlichen Vorteilen zu orientieren, genau so verrichten, wie sie befohlen sind, und das Ergebnis allein von Gott erwarten. Unsere Aufgabe besteht darin, uns nicht von den Kritiken der Weltleute beeinflussen zu lassen und uns nicht von Fetwas ablenken zu lassen, die fern vom Geist der Religion sind, sondern einzig Gottes Willen zu erfüllen. Hätte Er von uns nur verlangt, ein Kamel zu schlachten, würden wir kein anderes Tier beachten und jeder von uns würde ein Kamel schlachten. Würde Er sagen: „Schlachtet eine Kuh“, würden wir dies befolgen. Würde Er uns irgendeine andere Anweisung geben, würden wir auch diese ausführen. Entscheidend ist hier allein Gottes Gebot und was Er von uns verlangt.

Abgesehen von alldem sei es noch erwähnt, dass ein Gläubiger danach strebt, jede seiner Handlungen mit Perfektion und Wohlwollen (in der schönsten und tadellosesten Weise) auszuführen. Tatsächlich befiehlt unser Prophet (F.s.m.i), das Tier auf bestmögliche Weise zu schlachten. Daher muss die Organisation der Opferung so gestaltet sein, dass niemand belästigt wird. Es gehört zu gläubiger Sensibilität, nur gesunde Tiere zu schlachten, während und nach der Schlachtung die Hygienevorschriften einzuhalten, die Umgebung sauber zu halten und den Anweisungen der zuständigen Behörden in diesen Belangen Beachtung zu schenken.